Gynäkologische Sarkome

"Ich merke, es tut gut darüber zu sprechen."
Anja Hunsinger, Diagnose 2022

Gynäkologische Sarkome

Sarkome sind eine Gruppe von Krebserkrankungen, die ihren Ursprung im Bindegewebe des Körpers haben und an verschiedenen Stellen des Körpers auftreten können. Bindegewebe umfasst Muskel-, Fett- und Knorpelgewebe sowie Knochen-, Blutgefäßgewebe und anderes Gewebe, das den Körper stützt und verbindet. Sarkome sind zum Glück verhältnismäßig selten. Entsprechend kommen auch gynäkologische Sarkome sehr selten vor. Das hat wiederum den Nachteil, dass es wenig qualifizierte Informationen und kaum Aufklärungsmaterial für Betroffene gibt. Das verunsichert verständlicherweise. Daher ist die Behandlung einer Sarkom-Erkrankung sowohl für die Betroffenen als auch für das Ärzteteam immer eine große Herausforderung, die mit viel gegenseitigem Vertrauen gemeistert werden kann.

Sarkome des weiblichen Genitaltraktes sind eine Unterfamilie der Weichteilsarkome. Auch wenn lediglich zwei Prozent der bösartigen gynäkologischen Krebserkrankungen gynäkologische Sarkome sind, so gehören sie leider zu den aggressiven Tumorformen. Sie entstehen meistens in der Gebärmutter, den Eierstöcken, der Scheide oder der Vulva. Allerdings ist nicht jedes gynäkologische Sarkom gleich.

Es gibt verschiedene Unterformen, die sich durch ihre feingewebliche Zusammensetzung unterscheiden:

  • Das häufigste gynäkologische Sarkom ist das Leiomyosarkom, das in den glatten Muskelwänden der Gebärmutter entsteht.
  • Das zweithäufigste Sarkom ist das endometriale Stromasarkom, das ebenfalls in der Gebärmutter entsteht.
  • Adenosarkome sind durch eine Mischung aus verschiedenen Zelltypen gekennzeichnet, einschließlich Drüsenzellen (adenokarzinomartige Zellen) und Bindegewebszellen (sarkomatöse Zellen).
  • Karzinosarkome (siehe „Schon gewusst?“)

 

Prinzipiell sind eher Frauen in höherem Lebensalter von gynäkologischen Sarkomen betroffen, allerdings können auch jüngere Frauen daran erkranken.

Für viele bösartige Krebsformen gibt es Risikofaktoren wie zum Beispiel familiäre und/oder genetische Faktoren, Umweltbedingungen oder auch ungesunde Verhaltensweisen. So wissen wir, dass Rauchen das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken signifikant erhöht. Für Sarkome konnten bislang keine solchen klassischen Risikofaktoren gefunden werden. Auch erblich bedingte Ursachen, wie sie beim Brust- oder Eierstockkrebs vorkommen können, gibt es bei gynäkologischen Sarkomen in der Regel nicht. Lediglich nur sehr selten vorkommende Sarkome weisen einen genetischen Zusammenhang mit ihrer Entstehung auf.

In den letzten Jahren konnten jedoch bestimmte Chemikalien als Risikofaktoren generell für die Entstehung von Sarkomen nachgewiesen werden. Vor allem bei einem intensiven Kontakt mit der Chemikalie „Polyvinylchlorid“, bekannt unter dem Namen „Vinyl“ oder auch „PVC“, zeigen wissenschaftliche Studien ein erhöhtes Risiko, an einem Sarkom zu erkranken. Ein zweifelsfrei nachgewiesener Risikofaktor ist die medizinische Strahlentherapie. Wer aufgrund einer anderen Tumorerkrankung wie Brustkrebs eine Bestrahlung erfahren hat, hat ein fünffach erhöhtes Risiko ein Angiosarkom – einen Gefäßtumor – zu entwickeln. Dennoch geschieht das extrem selten.

Wie bei vielen anderen gynäkologischen Krebserkrankungen ist auch bei gynäkologischen Sarkomen problematisch, dass sie lange Zeit keine Symptome verursachen bzw. Symptome verursachen, die zunächst gar nicht gynäkologisch sein müssen. So kann beispielsweise ein Sarkom Lungenabsiedelungen hervorrufen, die dann die Lungenfunktion einschränken, also Atemnot verursachen. Das bedeutet leider, dass Sarkome oft erst im späten Stadium diagnostiziert werden, weshalb sie oft keine gute Prognose haben.

Zu den möglichen Symptomen von gynäkologischen Sarkomen gehören:

  • Abnorme vaginale Blutungen: Dies ist eines der häufigsten Symptome. Es kann sich um unregelmäßige, starke oder langanhaltende Menstruationsblutungen handeln. Bei postmenopausalen Frauen, die keine Menstruation mehr haben, sind jegliche vaginale Blutungen als abnorm zu betrachten.
  • Schmerzen im Beckenbereich: Frauen mit gynäkologischen Sarkomen können Schmerzen oder Druckgefühl im Unterbauch oder im Beckenbereich verspüren, die sich zum Beispiel auch beim Geschlechtsverkehr bemerkbar machen.
  • Vaginaler Ausfluss: Ein ungewöhnlicher, oft wässriger oder blutiger Ausfluss aus der Vagina kann auftreten.
  • Gewichtsverlust und Müdigkeit: Bei fortgeschrittenen Sarkomen können Gewichtsverlust und Müdigkeit auftreten, die auf die Ausbreitung des Tumors und den Energieverbrauch des Körpers zurückzuführen sein können.
  • Vergrößerte Gebärmutter oder Eierstöcke: In einigen Fällen kann der Tumor dazu führen, dass die Gebärmutter oder die Eierstöcke an Größe zunehmen und im Beckenbereich tastbar werden.
  • Bauchschwellung oder -vergrößerung: Einige gynäkologische Sarkome können eine Bauchschwellung verursachen, die oft mit einem Gefühl der Fülle oder des Drucks verbunden ist.

 

Viele der genannten Symptome können auch bei anderen gynäkologischen Erkrankungen auftreten und müssen nicht notwendigerweise auf ein Sarkom hindeuten, daher ist eine gründliche Untersuchung und Diagnose entscheidend. Dennoch sollten Frauen, die anhaltende oder ungewöhnliche Symptome im Beckenbereich haben, insbesondere postmenopausale Frauen, diese untersuchen lassen. Eine rechtzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend, um die Heilungschancen zu erhöhen.

Die Diagnose von gynäkologischen Sarkomen erfordert eine gründliche Untersuchung und verschiedene diagnostische Verfahren. Hier sind die Schritte, die in der Regel bei der Diagnose von gynäkologischen Sarkomen durchgeführt werden:

  • Anamnese und körperliche Untersuchung: Der Arzt beginnt mit einer ausführlichen Krankengeschichte (Anamnese), bei der nach Symptomen, familiären Vorerkrankungen und anderen relevanten Informationen gefragt wird. Eine gründliche körperliche Untersuchung, einschließlich einer gynäkologischen Untersuchung, wird durchgeführt.
  • Bildgebende Verfahren: Um den Tumor und seine Ausdehnung zu visualisieren, können verschiedene bildgebende Verfahren eingesetzt werden, darunter:
    • Ultraschall (Sonographie): Ultraschall kann zur Beurteilung von Tumoren in der Gebärmutter, den Eierstöcken oder anderen gynäkologischen Organen verwendet werden.
    • Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT): Diese Verfahren ermöglichen eine detaillierte Darstellung der inneren Organe und helfen bei der Beurteilung der Tumorgröße und -lokalisation.
  • Gewebeentnahme (Biopsie) und Histopathologische Untersuchung:: Für eine definitive Diagnose ist eine Gewebeentnahme (Biopsie) erforderlich. Dabei wird eine Probe des verdächtigen Gewebes entnommen und unter dem Mikroskop untersucht, um festzustellen, ob es sich um einen Sarkom-Tumor handelt. Die Zellen und Gewebestrukturen werden im Detail analysiert, um den Tumortyp und den Grad der Bösartigkeit (Malignität) zu bestimmen.
  • Staging und weitere Untersuchungen: Nach der Diagnose erfolgt die Stadieneinteilung (Staging), um festzustellen, in welchem Stadium sich der Tumor befindet und ob er sich bereits auf andere Organe ausgebreitet hat. Dazu können zusätzliche Untersuchungen wie eine PET-CT oder eine Lymphknotenbiopsie gehören.

Da sie so selten sind, ist die Behandlung gynäkologischer Sarkome eine Herausforderung. Für Betroffene ist wichtig, sich in die Hände eines mit dem Krankheitsbild erfahrenen Teams aus Gynäkolog:innen, Onkolog:innen, Chirurg:innen, Patholog:innen, Psycholog:innen und Therapeut:innen zu begeben. Nur so lassen sich die besten Therapieoptionen für jede individuelle Situation bestimmen. Denn Sarkome sind in ihrer Tumorbiologie völlig anders, ihre medikamentöse und operative Behandlung unterscheidet sich erheblich von den anderen bösartigen Tumoren.

Wichtig bei der Therapieplanung ist die Erarbeitung eines Gesamtkonzepts, das die einzelnen operativen Prozeduren, die systematische Analyse des Tumorgewebes, aber auch mögliche individuelle Anschlusstherapien, wie zum Beispiel Chemo- und Strahlentherapien oder neuester sog. zielgerichteter Krebstherapien einschließt.

Operation

Bei Erstdiagnose ist eine operative Entfernung des Sarkoms die wichtigste Therapiemaßnahme. Hier wird immer versucht, das Sarkom möglichst bis in das gesunde Gewebe hinein aus dem Körper zu entfernen, um sicherzugehen, dass keine Reste der bösartigen Zellen im Körper verbleiben. In einem frühen Stadium kann eine Operation auch die einzig notwendige Therapie sein.

Chemotherapie

Liegen bereits Metastasen vor, rückt die Operation meist in den Hintergrund, da sich die Erkrankung bereits im Körper ausgebreitet hat. Deshalb muss in diesem Fall eine Therapiestrategie angewendet werden, die den gesamten Körper einschließt. Am besten eignet sich hierfür eine Chemotherapie, die im gesamten Körper ihre Wirkung entfalten kann.

Im Gegensatz zu anderen Krebserkrankungen liegen bei Sarkomen und gynäkologischen Sarkomen bisher verhältnismäßig wenig neue Forschungs- und Therapieansätze vor.

Erwähnenswert sind folgende Ansätze:

Zielgerichtete Therapien: Sie konzentrieren sich auf bestimmte Zellstrukturen und nicht wie die klassischen Chemotherapeutika auf die Zellteilung. Dabei kann es sich um einen Antikörper handeln oder auch um sogenannte „small molecules“, die so klein sind, dass sie in die Sarkomzelle eindringen können und dort den Zellstoffwechsel beeinflussen. Die Nebenwirkungen sind im Vergleich zu Chemotherapien unterschiedlich. So ist vor einigen Jahren eine zielgerichtete Therapiestrategie mit der Substanz Pazopanib zugelassen worden. Als Tablette verabreicht, verhindert dieser Tyrosinkinasehemmer die Neubildung von Tumorgefäßen. Das Tumorgewebe wird dadurch zu wenig mit Blut und Sauerstoff versorgt, was zum „Austrocknen“ und Absterben der Sarkomzellen führen kann.

Behandlung mit Trabectedin: Seit einigen Jahren steht eine wirksame Behandlung bei Wiederauftreten der Erkrankung Leiomyosarkom – also einem Sarkom in der Gebärmutter – mit der neuartigen Substanz Trabectedin zur Verfügung. Diese wird aus der Seescheide gewonnen. Es wirkt einerseits ähnlich wie eine klassische Chemotherapie auf die DNA der Tumorzelle ein. Andererseits besitzt es auch eine zielgerichtete Wirkung. Dazu zählt z. B., dass die Neubildung von Blutgefäßen, die für den Tumor wichtig sind, verhindert wird (Neoangiogenese-Hemmung).

Hyperthermie bedeutet Überwärmung und steht für einen bestimmten Therapieansatz in der Onkologie, der allerdings nicht völlig neu ist. Dabei wird Tumorgewebe auf eine höhere Temperatur als die Körpertemperatur erhitzt. Dadurch sollen die Tumorzellen besser abgetötet werden, da sie einen ohnehin höheren Stoffwechsel als normale Körperzellen haben, der durch die Wärme zusätzlich angeregt wird, so dass den Tumorzellen am Ende der Sauerstoff ausgeht. Darüber hinaus führt der erhöhte Zellstoffwechsel dazu, dass die Tumorzelle die Wirkstoffe einer Chemotherapie besser aufnimmt. Daher ist eine Hyperthermie nicht als Einzeltherapie zu sehen, sondern entfaltet ihre Wirkung im Tumorgewebe vor allem in Kombination mit einer Chemotherapie. Allerdings liegen in der Frauenheilkunde bisher noch relativ wenig Erfahrungen vor, so dass es für betroffene Frauen vorerst noch ein sehr experimentelles Konzept darstellt und noch nicht zur Standardtherapie gehört.

Wissenswert

Müllerscher Mischtumor: Eine besondere Form ist das „Karzinosarkom“ oder auch „maligner Müller-Misch-Tumor“. Dieser bösartige Tumor besitzt Zellen, die Muskelgewebe ähneln und damit einem Sarkom zuzuordnen sind, aber auch Zellen, die die Eigenschaften von Deck- oder Drüsengewebe (Epithel) besitzen und damit einem Karzinom entsprechen, also einem klassischen Krebs. Somit besitzt ein Karzinosarkom Anteile eines Sarkoms und Anteile eines Karzinoms und bedarf einer sehr speziellen Behandlung. Der Tumor kann im gesamten weiblichen Genitaltrakt entstehen, kommt jedoch am häufigsten in der Gebärmutter vor, ist insgesamt jedoch sehr selten.

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